Vergessener Zeitgenosse Schuberts

Komponist George Onslow stand im Zentrum des Konzerts mit Berliner Ensemble Tamuz

Von Peter Lorber – für den Kölner Stadtanzeiger

Lohmar. Angebot und Nachfrage gilt auch für die Musik. Insofern ist anzunehmen, dass die Beliebtheit, die George Onslows (1784-1853) Kompositionen zu seiner Zeit genossen, nicht von ungefähr kam. Seine 36 Streichquartette und 34 Streichquintette, was der Schaffensfreude eines Haydns mit 68 Quartetten entspricht, deuten darauf hin, dass er eine große Nachfrage nach Neuem, vor allem aus Deutschland, zu bedienen hatte. Wieso der Franzose mit britischen Wurzeln dennoch derart in Vergessenheit geriet, dass er kaum noch gespielt wird, lässt sich nicht erklären und ist kaum zu verstehen.

Jugendliche Unbekümmertheit

Welche höchsten Anforderungen seine Musik stellt, demonstrierte das Berliner Ensemble Tamuz, das am Sonntag im Rahmen der Honrather Konzerte in der Evangelischen Kirche gastierte. Das Quintett habe sich „die Kammermusik auf radikal andere Weise erschlossen“, teilt es mit. Es würden Originalpartituren verwendet, man mache sich mit den musikalischen Vorlieben früherer Zeit vertraut, entferne sich zudem von moderner Konzertsaal- und Aufnahmepraxis.

Dies und die jugendliche Unbekümmertheit der Berliner kam Onslows Streichquintett Nr. 23, op. 58 entgegen. Der Komponist wird zwar der Wiener Klassik zugeordnet, doch gehört es zu seiner Lesart, die Stücke mit virtuosem Bravourstil zu durchsetzen. So passten sein a-Moll-Quintett und die Aufführungspraxis von Tamuz zusammen wie der sprichwörtliche Deckel zum Pott.

Urwüchsig, kernig, bisweilen burschikos bahnte sich die Musik ihren Weg durch die Sitzreihen bis in den letzten Winkel des Gotteshauses. Da widersprach in Teilen schon das eröffnende „Allegro non tanto vivo“ der Anweisung, mit „nicht viel Leben“ zu spielen. Tempo, viele Unisono-Passagen mit verblüffender Synchronität bestimmten das Bild. Schnell wurde deutlich, welch ein Virtuose – wenn auch als Primus inter Pares – mit Hed Yaron-Meyerson die erste Geige spielt. Wohldosiert setzte er die Vibratos ein, ebenso die Triller und Arpeggios, immer den sorgfältigen Strich wahrend.

Wie etwa im 3. Satz, wo er der Bezeichnung „Allegro impetuoso“ folgte und „ungestüm“ das Ensemble anführte. Die Kollegen taten es ihm gleich, oft mit einem Lächeln die Spielfreude ausdrückend und mit wiegenden Körpern der Rhythmik Nachdruck verleihend.

Dem furiosen Auftakt folgte ein romantischer Mittelteil in bester Haydn-Manier mit feinen Motiven in allen Stimmen. Das „Adagio sostenuto“ stand im Zeichen der sonoren Klangfarbe der Celli von Victor Garcia Garcia und Constanca Ricard. Wobei Letztere immer wieder den Kontrabass gab und für ein sattes Fundament sorgte, auf dem Yaron-Meyerson und der zweite Geiger Diego Castelli geradezu zu tänzeln schienen. Entsprechend der Konzertlosung „Schubert trifft Onslow“ nahm sich das Ensemble nach der Pause Schuberts Streichquintetts C-Dur D956 vor. Der Wiener Romantiker ist Zeitgenosse Onslows, die beiden „Honrather“ Stücke entstanden im Abstand von neun Jahren, haben die gleiche Ausstrahlung, Vielschichtigkeit und Tiefe. So lag nahe, dass Tamuz dem schon immer gefeierten Schubert-Stück ebenfalls seinen Stempel so aufdrücken sollte, dass es zum Genuss wird. Er wahrte indes die Würde des bekannten Adagios und griff, etwa beim Scherzo des 3. Satzes und im Allegretto, wieder zu den Werkzeugen, die den Abend tief im Gedächtnis verankerten.

Die Freude komplettierte die erstmals erprobte Sitzordnung, bei der das Ensemble in der Mitte des Kirchenschiffs im Kreis saß, eng umgeben von mehreren parallelen Stuhlreihen. So nahe kommt man der Kammermusik selten, dass selbst der letzte Hauch des Bogenstrichs am Ende eines Decrescendi zu vernehmen war.